Memoir 44 versetzt uns zurück ins Jahr 1944, genauer gesagt in die Tage und Wochen um den 6. Juni 1944. Die Invasion in der Normandie findet in Form von Szenarien an den unterschiedlichsten historischen Schauplätzen erneut statt, die Geschichte wird neu geschrieben.
Der Spielplan ist beidseitig bedruckt und zeigt auf der einen Seite einen Küstenabschnitt, um Schlachten in Küstengebieten nachzustellen, und einen Ausschnitt des Landesinneren, um auch die Geschehnisse abseits der Küstengebiete abzudecken. Abhängig vom gewählten Szenario wird also die Spielplanseite gewählt und die Ausgangssituation aufgebaut.
Da nicht nur die allierten und deutschen Streitkräfte platziert werden müssen sondern auch die geographischen Besonderheiten (Städte, Flüsse, Hügel, Waldgebiete usw.) berücksichtigt und in Form von Hexplättchen entsprechend auf dem Spielplan abgelegt werden müssen, nimmt der Szenarioaufbau unter Umständen schon mal einige Zeit in Anspruch. Doch dieser "Zeitverlust" ist schnell aufgeholt, denn die Regeln sind eigentlich recht überschaubar, schnell verinnerlicht und auch die Spieldauer ist für ein Spiel dieser Thematik, die nicht selten etliche Stunden umfasst, erstaunlich kurz. So kurz, dass die Regel empfiehlt, dem unausgewogenen Kräfteverhältnis, das in einigen Szenarion sicherlich vorhanden ist, damit zu begegnen, dass nach der ersten Spielrunde das gleiche Szenario nochmals mit vertauschten Rollen gespielt wird.
Jedes Szenario gibt nicht nur die geograpischen Gegebenheiten und die auf beiden Seiten vorhandenen Einheiten vor, sondern auch welche Siegbedingung jede Seite erreichen muss um zu gewinnen, wieviele Kommandokarten jedem Spieler zum befehligen seiner Einheiten zur Verfügungstehen und wer beginnen darf.
Je nach Szenario muss eine unterschiedliche Zahl von "Siegpunkten" erreicht werden, die nicht nur aus vernichteten feindlichen Truppenverbänden bestehen muss, sondern auch beispielsweise durch die Einnahme einer strategisch wichtigen Brücke oder ähnlichem erreicht werden kann.
Die kürze der Spieldauer wird mit einem nicht unerheblichen Glücksfaktor "erkauft". Zum einen werden die Kämpfe mit Würfeln ausgetragen (das ist man ja bei Spielen dieser Thematik gewohnt), zum anderen entscheiden zufällig gezogene Karten darüber, welche Einheiten ein Spieler überhaupt und in welcher Form zum Einsatz bringen kann. Taktische Möglichkeiten bietet nur das Terrain, das mehr oder weniger gut zugänglich ist oder beispielsweise eine bessere Verteidigung bietet aber möglicherweise auch eigene Angriffe erschwert.
Die Einheiten sind anfangs immer in Vierergruppen unterwegs. Während sie sich in ihren "Nehmerqualitäten" nicht unterscheiden (ein Treffer eliminiert einen Panzer genauso effektiv wie eine Infantrie) sind die Angriffsmöglichkeiten und die Beweglichkeit sehr verschieden.
Infantrieeinheiten können sich maximal zwei Felder weit bewegen, dann aber nicht mehr angreifen. Bewegt sich eine Infantrieeinheit nur um ein Feld weiter, kann evtl. zusätzlich noch ein Angriff auf eine feindliche Einheit durchgeführt werden. Diese Einheit muss in Sicht- und Reichweite sein, d.h. es darf sich nicht beispielsweise ein Waldfeld zwischen den Einheiten befinden und die angegriffene Einheit darf nicht mehr als 3 Felder weit entfernt sein. Bei einer angreifenden Infantrie verringert sich die Kampfkraft (eingesetzten Kampfwürfel) auch mit zunehmender Entfernung. Direkt benachbart darf mit drei Würfel gewürfelt werden, ein Feld entfernt mit zwei Würfeln und zwei Felder entfernt nur noch mit einem Würfel. Über größere Entfernungen kann die Infantrie nicht angreifen.
Panzer können sich drei Felder weit bewegen und zusätzlich angreifen (sofern es das Gelände zuläßt). Auch hier muß die anzugreifende Einheit "gesehen" werden und sich in Reihweite befinden, also höchstens drei Felder weit entfernt aufhalten. Allerdings ist die Angriffsstärke der Panzer entfernungsunabhängig, es darf immer mit drei Würfeln angegriffen werden. Jedoch kann das Gelände eine Verringerung der Würfel bedeuten, genauso wie bei der Infantrie. In Städten, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Panzer weniger gut zu gebrauchen, sie greifen mit weniger Würfeln an.
Die Artillerie ist wenig flexibel, hat aber ein unglaubliche Reichweite. Sie kann bis zu 6 Felder entfernte feindlichen Einheiten angreifen, wenngleich auch hier die Kampfwürfelzahl und damit die Kampfkraft alle zwei Felder um einen Würfel verringert wird.
Sandsäcke erleichtern den Einheiten das Halten von Stellungen, Stacheldraht verlangsamt das Vorrankommen des Feindes, zumindest wenn dieser nicht mit Panzern anrückt, es gibt schon taktische Möglichkeiten bei der Bewegung von Einheiten, ein Kampf hingegen ist rein vom Würfelglück abhängig. Für jede beim Angriff gewürfelte Granate bzw. jedes Symbol, dass der angegriffenen Einheit entspricht, wird ein Treffer erzielt, der den Verlust einer der anfangs vier Figuren einer Einheit bedeutet. Wird die letzte Figur einer Einheit getroffenen und entfernt, erhält diese der Angreifer. Sie stellt nun einen der für den Sieg benötigten Siegpunkte dar.
Mit einer Mischung aus Taktik und Glück erreicht schließlich einer der Spieler das Szenarioziel. Nach einem weiteren Spiel mit vertauschten Rollen gewinnt derjenige, der insgesamt die meisten Siegpunkte erringen konnte. Und damit ist auch die Zielgruppe für dieses Spiel definiert. Die Thematik "Zweiter Weltkrieg" sollte interessieren und der sehr hohe Glücksfaktor darf nicht stören. Wer diese beiden Bedingungen erfüllt, der kann und sollte bei Memoir 44 bedenkenlos zugreifen.
Obwohl es auch in Deutschland Fans dieses Spiels und dieser Thematik gibt, ist auch Memoir 44, wie schon die meisten anderen Spiele dieser Richtung - z.B. Axis & Allies usw. - nicht in deutscher Sprache erhältlich. Wer dem englischen nicht im ausreichenden Maße mächtig ist, muss sich mit Regelübersetzungen behelfen, die es nicht nur für die Spielanleitung sondern auch für sämtliche Karten und Übersichten im Internet gibt.
Noch für dieses Jahr sind die ersten Erweiterungen angekündigt, die hoffentlich mehr Taktik ins Spiel bringen und/oder den Glücksfaktor verringern, der für meinen Geschmack doch etwas zu hoch ist. Ansonsten kann man an diesem Spiel, insbesondere dem Material nichts aussetzen. Sinkt der Glücksfaktor durch die Erweiterungen, sind sie ein absolutes Muss und werten das gute Spiel noch weiter auf.
Vielen Dank an Days of Wonder für das Rezensionsexemplar!
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